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diese frage stammt aus dem geschlechtsrollenmythenthread und verdient imo einen eigenen platz.

also: gibt es einen liebesmythos? ist es ein so, dass die liebe als grundlage für ein lebenskonzept nichts anderes ist als ein moderner mythos? "und sie lebten glücklich bis dass der tod und so ..."

ich sag ja, hab aber momentan leider keine zeit näher darauf einzugehen.

tiefseefisch meint vielleicht

poetica sagt definitiv nein.

und poll ist hier nicht möglich. blöde sache. und leute schreibts doch ned so viel, wie soll ich denn da noch zum arbeiten kommen? ;)

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die "liebe" im wandel

zunächst nochmal ein querverweis.

"pflicht ist lust und lust ist pflicht" ist die christliche, von der antike übernommene, vorstellung von sexualität in der ehe - oder wie christoph klotter schreibt: "Der Hauptzweck der Ehe bestand darin, dem Geschlechtstrieb in einer wechselseitigen Verpflichtung der Gatten, dem debitum, Genüge zu tun."
kant (metaphysik der sitten) beschrieb die ehe noch als einen offenen oder verdeckten kampf der geschlechter und versucht den "wechselseitigen gebrauch der geschlechtsorgane" in einen vertrag zu kleiden, bei dem weder von liebe, noch von freier selbstbeschränkung die rede ist.
frau wie mann hatten hier dieselben rechte.

erst mit der aufteilung des lebens in die sachbezogene berufswelt des mannes und das familienbezogene reich der frau wandelte sich die im vorindustriellen zeitalter gleichwertigen ökonomischen fähigkeiten der frau in "weibliche natur" und psychisch begründbare geschlechtseigenschaften um.

ihr bild wird umgewandelt und sie soll sich nun zugleich harmonisierend, selbstlos liebend und triebverzichtend ihrem mann zuwenden. als gattin, hausfrau und mutter mit einem zugeschriebenen geschlechtscharakter wird sie zur hüterin der bürgerlichen moral und ordnung.

die nach aries in allen kulturen vorfindbare aufteilung in ein ruhiges und beständiges eheleben und in leidenschaftliche aussereheliche amouren verliert sich allmählich.
zudem beginnt im 18. jahrhundert verstärkt sie verweigerung der frauen und an die stelle der ehelichen pflicht tritt die subjektive, von befindlichkeiten bestimmte entscheidung.

erst hier wird an die "beziehung", an die ehe die immense erwartung nach grenzenloser erotik, spontaneität und liebe geknüpft.
dass die erwartung allein die einlösung nicht begünstigt, sondern im gegenteil behindert. (@ poetica: soweit zum mythos der lust!)

Christoph Klotter schreibt:

"Die Verknüpfung von Leidenschaft und Ehe begünstigt die Subjektivierung des Beziehungslebens im Sinne einer immer wieder zu treffenden Entscheidung: 'Will ich oder will ich nicht'? Dieser Subjektivierung unterliegt im Sinne einer Zuschreibung eher die Frau. In der ihr zugeschanzten Krise der Entscheidung findet sich das Muster wieder, dass der Mann der Aktive zu sein habe, die Frau die Passive."

und weiter sinngemäß:
Die Emotionalisierung von Verhältnissen, sei es in Form des Verliebtseins, sei es in Gestalt der Libidinisierung der Ehe fungiert offenbar als Gleitcreme, die die Menschen noch reibungsloser zueinander finden lässt, wo sie sonst ein Abgrund trennt.

der abgrund, von dem klotter spricht ist der in der neuzeit einsetzende niedergang des christlichen codes als universallehre. mit diesem untergang geht der mensch einer festgefügten orientierung verlustig und eine unerschütterliche, gar auf liebe aufgebaute ehe bzw. beziehung scheint (neben dem schlechten gewissen als inneren kommunikationspartner) das geeignete mittel zu sein, um der inneren verlorenheit wirksam zu begegnen.

Klotter noch mal wörtlich:
"Dem Verliebtsein bzw. der Liebe wird so möglicherweise seit dem 18. Jahrhundert die Aufgabe zuteil, angesichts einer von Gott verlassenen Welt den Menschen an den Menschen zu binden."

und nicht minder wichtig ist wohl die verkoppelung von ökonomie und liebe, so kann die verschmelzung von liebe und ehe auch als versuch gewertet werden, der kapitalisierung aller verhältnisse einen scheinbaren riegel vorzuschieben, indem das verliebtsein die realen verhältnisse verdecken bzw. abschwächen soll.

im modell der liebesehe wird so zwar die ökonomische grundlage der ehe überdeckt, hinterrücks ergreift jedoch gerade durch die abschaffung des debitum als archaischem, in gewisser weise feudalem austauschverhältnis eine kapitalistische logik von der ehe besitz: die frau kann ihren körper dem mann nach gutdünken vorenthalten. sie kann damit sparen und haushalten, sie kann ihn aber auch zur verfügung stellen, wenn es ihr günstig erscheint.

der körper wird so zum kapital.

 
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